Kocher: „Die Frage ist, ob ich emotionalisieren muss“

Politik
Interview mit Wirtschaftsminister Martin Kocher

Der Arbeitsminister über die 41 Stunden-Woche, Fantasiezahlen, miserable Stimmung und das Gerüchte, er wechsle nach der Wahl in die Nationalbank.

Eine gesetzliche Änderung der Normalarbeitszeit hält der Ex-IHS-Chef und jetzige Arbeitsminister (ÖVP) für ausgeschlossen. Im KURIER-Interview spricht er über den Faktor Produktivität und wie die Politik seine Halbmarathonzeit beeinflusst.

KURIER: Die IV plädiert für eine 41 Stunden-Woche. Ihre Antwort als ÖVP-Regierungsmitglied glauben wir zu kennen, doch was sagen Sie als Ökonom zu dem Vorschlag?

Martin Kocher: Es ist ausgeschlossen, dass es eine Veränderung der gesetzlichen Normalarbeitszeit geben wird. Das war von keinem Regierungsmitglied angedacht, insofern ist die Debatte nicht sinnvoll.

Welche Debatte wäre sinnvoll?

Eine Debatte darüber, wie wir es schaffen, dass Menschen in Teilzeit mehr Stunden arbeiten können, und dass es ausreichend Kinderbetreuung und Unterstützung gibt. Wir haben ein sinkendes Arbeitsvolumen und die Transformation der Wirtschaft und der demografische Wandel werden damit nicht zu bewältigen sein.

Wenn das Arbeitsvolumen sinkt, wird es nicht doch eine gesetzliche Änderung geben müssen?

Ganz und gar nicht. Der Spielraum liegt bei der Teilzeit, bei der Qualifikation von Arbeitskräften.

Die SPÖ spricht sich für eine 32 Stunden-Woche aus. Was hat die ÖVP diesbezüglich zu bieten, außer, dass sich Arbeit lohnen muss? Wie können Sie emotionalisieren?

Die Frage ist, ob ich emotionalisieren muss oder ich nicht lieber nüchtern über Fakten spreche. Wir sind eine alternde Gesellschaft, in der der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung sinkt. Aber nicht nur der Anteil sinkt, sondern es gibt auch in absoluten Zahlen weniger Arbeitskräfte. Das wird problematisch, wenn wir nicht gegensteuern. Wir haben in den letzten Jahrzehnten jedes Jahr 50.000 zusätzliche Arbeitskräfte in Österreich gehabt. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben, weil es auch in anderen Ländern Alterung gibt. 

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Was kann man dagegen tun?

Mehr Vollzeit, mehr Fachkräfteausbildung und Arbeiten bis zum Pensionsalter und freiwillig drüber hinaus. Wir gehen immer noch vor dem Regelpensionsalter in den Ruhestand. In diesen Bereichen muss auch in den kommenden zehn Jahren einiges passieren, weil die Babyboomer-Generation in Pension geht. Weniger Arbeitskräfte heißt weniger Wohlstand, heißt weniger Einkommen für alle und weniger Leistungen aus öffentlichen Mitteln.

Kurier / Tobias Steinmaurer

Im KURIER-Gespräch mit Michael Hammerl und Johanna Hager

Österreich hat in der EU die zweithöchste Teilzeitquote, gleichzeitig liegen wir mit 41,8 Stunden geleisteten Vollzeitstunden auch im Spitzenfeld. Wie lässt sich das erklären?

Weil viele Unternehmen und die öffentliche Hand Rahmenbedingungen geschaffen haben, die auf eine hohe Arbeitslosigkeit ausgerichtet waren. Früher war man „froh“, dass Menschen weniger gearbeitet haben oder früher in Pension gegangen sind, damit Jüngere einen Job bekommen. Das war das Narrativ – und es war damals schon ökonomisch nicht ganz richtig. Jetzt ist noch falscher, doch es ist kulturell verankert. Das sieht man bei Unternehmen, die viel Teilzeit und bei den Schwierigkeiten von älteren Arbeitslosen, wenn sie sich um Stellen bewerben. Wir müssen alle unser Denken verändern.

Auch, weil sich der Wert der Arbeit an sich, der materielle, mentale, emotionale Wert geändert hat innerhalb der Generationen?

Mit Sicherheit. Früher haben wir oft darüber gesprochen, dass Arbeitslosigkeit krank macht, weil Arbeit ein Wert ist, der Selbstbewusstsein gibt und zu …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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